Zians-Haas Rechtsanwälte

Neues aus dem Schilderwald

18.11.2020

Oder: Wie geht es weiter, liebe Wallonische Region, nach vier verlorenen Verfahren?

Seit dem 1. Januar 2014 übt die WR die Zuständigkeit für Verkehrssteuern auf Kraftfahrzeuge aus und führt die diesbezüglichen Kontrollen durch. Dazu wurde ein besonderer Dienst aufgebaut, der in der DG von Eupen aus geleitet wird.

Immer wieder kommt es an den Grenzen, vor allen Dingen an der deutschen Grenze, zu Kontrollen. Doch auch in der Eifel sind Kontrollen nicht unüblich.

Der Öffentliche Dienst Wallonie (ÖDW) besteuerte bislang bereits auf Grund einer fehlenden Bescheinigung. Zur Erinnerung: die Gesetzgebung über die Zulassung von Fahrzeugen, eine föderale Materie, sieht im Königlichen Erlass vom 20.07.2001 vor, dass eine Bescheinigung des ausländischen Arbeitgebers im Fahrzeug mitgeführt werden muss, um in den Genuss der Freistellung der Anmeldepflicht zu kommen.

Abgesehen davon, dass dieser K.E. keineswegs die Situation der im Ausland arbeitenden Selbständigen, Freiberufler und nicht angestellten Geschäftsführer regelt, stellt sich die Frage, ob die Bescheinigung eine Voraussetzung ist, um die Befreiung geltend machen zu können, oder ob es sich lediglich um ein Beweisdokument handelt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nunmehr Klarheit geschaffen und dies sogar drei Mal.

-          Beschluss vom 26. September 2019: Arbeitnehmer

Der EuGH stellte klar, dass die Erfordernis, eine Bescheinigung des Arbeitgebers mitzuführen, nicht gegen Eu-Recht verstößt. Wenn aber die Tatsache, dass der Fahrer eine solche Bescheinigung nicht im Fahrzeug dabei hat, zu einer Besteuerung führt, so verstößt die Regel gegen europäisches Recht und insbesondere gegen Artikel 45 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

-          Beschluss vom 28. Mai 2020

In diesem Fall handelte es sich um einen geschäftsführenden Gesellschafter, der ein Fahrzeug seiner Gesellschaft fuhr. Er konnte bei einer Kontrolle durch den ÖDW keine Bescheinigung vorweisen.

Wiederum sah der EuGH die Regelung, wonach ein in Belgien lebender Geschäftsführer eine Bescheinigung über die zur Verfügung Stellung eines ausländischen PKW im Fahrzeug mitführen muss, als EU-rechtswidrig an (insbesondere Artikel 49 AEUV).

-          Beschluss vom 10. September 2020

In der jüngsten Entscheidung in dieser Materie ging es um die Zurverfügungstellung von Fahrzeugen von Privatpersonen an Privatpersonen.

Die belgische Gesetzgebung über die Zulassung von Fahrzeugen sieht vor, dass es möglich ist, ein Fahrzeug für maximal einen Monat an eine in Belgien wohnhafte Person auszuleihen. Hierzu bedarf es aber einer Bescheinigung, die den Zeitraum und das Enddatum der Zurverfügungstellung angeben muss.

In mehreren Fällen wurde der EuGH befasst und die drei Vorfragen wurden zusammengelegt.

Der EuGH urteilte auch hier, dass der Fahrer, der keine Bescheinigung vorweisen kann, nicht aus diesem Grunde besteuert werden kann. Der Beweis der unentgeltlichen Zurverfügungstellung kann anderweitig erbracht bzw. nachgereicht werden.

Der Hof berief sich hierbei insbesondere auf Artikel 63 Abs. 1 des AEUV.

Die Vorfragen, mit denen sich der EuGH beschäftigen musste, wurden allesamt vom Gericht erster Instanz Eupen gestellt. Der ÖDW war offensichtlich in den letzten Jahren sehr aktiv auf dem Gebiet der neun deutschsprachigen Gemeinden.

Die Steuerkammer Eupen stellte aber auch eine Vorfrage an den Verfassungsgerichtshof. Dieser verkündete am 9. Juli 2020 seinen diesbezüglichen Entscheid und sagte für Recht, dass der angefochtene Artikel 11bis §4, Buchstabe d) des  Dekrets der Wallonischen Region vom 6. Mai 1999 «über die Festsetzung, die Beitreibung und die Streitsachen bezüglich der wallonischen regionalen Abgaben» gegen die Verfassung und das erste Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt.

Der Verfassungsgerichtshof rügte, dass die Beamten, die das Fehlen eines Dokumentes (Bescheinigung) feststellen, nicht dazu übergehen können, die sofortige Zahlung des Betrags der Verkehrssteuer auf Kraftfahrzeuge und der Zulassungssteuer zuzüglich einer administrativen Geldbuße zu deren treuen Händen zu verlangen und, im Falle der Verweigerung der Zahlung, zur Einbehaltung, Beschlagnahme und den Verkauf des Fahrzeuges überzugehen.

Auch hier wurde die Vorgehensweise des ÖDW massiv in Frage gestellt und wird es höchstrichterlich verboten, die sofortige Zahlung von den Fahrern zu verlangen.

Die Saga der ausländischen Nummernschilder ist damit noch nicht beendet. Sie kann aber in ruhigeres Fahrwasser kommen, so dass die Kontrollen des ÖDW nur noch auf Feststellungen begrenzt werden. Die Beamten dürfen nicht wie vorher, die Papiere einziehen und mit Zwangsverkauf des Fahrzeuges innerhalb von vier Tagen drohen.

Es bleiben aber noch Fragen offen, zu denen sich die Gerichte sicherlich im Laufe der nächsten Monate und Jahre äußern müssen.

<< zurück